Jugendhilfe in Not: Sozialbehörde hat den Überblick verloren

Vielerorts kann im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) nicht mehr dienst- und fachgerecht gearbeitet werden. Elementare Aufgaben werden zurückgestellt, um den Kinderschutz überhaupt noch zu gewährleisten. Hamburgs Kinder- und Jugendnotdienst ist ebenfalls seit Monaten überlastet. Und nun ergibt eine Anfrage der Linksfraktion zu jungen Menschen in Heimunterbringung und Plätzen in stationärer Jugendhilfe: Der Senat hat offensichtlich den Überblick verloren. Sollten es von Juli 2021 bis Januar 2022 zuerst 7388 betroffene Jugendliche gewesen sein, nannte der Senat elf Tage später auf eine zweite Anfrage eine Zahl von 5779 Jugendlichen inkl. unbegleitet hierher geflüchteter junger Menschen - eine drastische Abweichung. Schlimmer noch: Der Senat ignoriert den Anstieg der Heimunterbringung hier aufgewachsener Kinder in den letzten sieben Monate um 12 bis 42 Prozent je nach Altersgruppe und Geschlecht. Und auch die Werte für die stationäre Unterbringung außerhalb Hamburgs gingen deutlich nach oben: Ende Juni waren 806 hier aufgewachsene 0-14-Jährige betroffen, Ende Januar 2023 schon 885.

Dazu Sabine Boeddinghaus, jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Die Behörde hat keine Ahnung mehr von der Zahl junger Hamburger:innen, die unseren Schutz brauchen. Und sie hat keinen präzisen Überblick über die Zahl der in Obhut genommenen und stationär untergebrachten Babys, Kinder, Jugendlichen und Jungerwachsenen, für die sie aber doch schließlich besondere Verantwortung übernommen hat. Sie befindet sich im Blindflug!“

In einem Brandbrief hatten alle sieben Jugendamtsleitungen eine enorme Arbeitsbelastung beklagt – sie befürchten, den Kinderschutz nicht mehr dauerhaft gewährleisten zu können. Sabine Boeddinghaus:„Da läuten bei mir alle Alarmglocken und ich würde vom Senat erwarten, dass er sofort Maßnahmen ergreift, um Druck aus dem System zu nehmen. Was tut er stattdessen? Er negiert und banalisiert diese krisenhafte Lage, missachtet so die Überbeanspruchung der Mitarbeitenden und die wachsenden Probleme in vielen Hamburger Familien und taucht einfach ab, wo es um die Arbeitsfähigkeit einer sicheren Kinder- und Jugendhilfe geht.Das grenzt an Arbeitsverweigerung! Wir fordern einen breit angelegten Dialogprozess unter Beteiligung der Beschäftigten, der Träger und der Bezirke, um die Ursachen dieser dramatischen Überlastung zu finden und zu beheben. Das ist die Sozialbehörde den jungen Menschen schuldig!“

Unsere beiden aktuellen SKA (Drs. 22/10783 und 22/10925) und eine umfassende Auswertung hängen dieser PM an.